Wenn du mit der chronischen Erkrankung Multiple Sklerose (MS) lebst, hast du bestimmt schon einmal von sichtbaren und unsichtbaren Symptomen gehört, oder? Sichtbare Symptome sind jene, die eine außenstehende Person offensichtlich sieht, wie beispielsweise körperliche Lähmung oder Gangstörungen. Zu den unsichtbaren Symptomen zählen unter anderem Kribbeln in den Beinen (oder in anderen Extremitäten), Taubheitsgefühle oder ein starkes Erschöpfungssyndrom – auch Fatigue genannt.
Fatigue ist eine Begleiterscheinung bei MS*– ein unsichtbares Symptom. Denn es ist für außenstehende Personen nicht offensichtlich eine Behinderung, also nicht sichtbar. Die MS Betroffenen selbst leiden häufig darunter, wenn sie sich für ihre nicht sichtbaren MS Symptome erklären müssen. Es ist nicht nur anstrengend und raubt Energie, es gibt auch ein Gefühl von Unglaubwürdigkeit!
*Fatigue tritt nicht nur bei MS auf, sondern auch bei weiteren chronischen Erkrankungen wie z.B. bei Krebs. In diesem Artikel fokussiere ich mich nur auf Multiple Sklerose!
In diesem Blogartikel schauen wir uns die Begleiterscheinung Fatigue genauer an. Ich gebe dir einen Überblick über das MS-Symptom Fatigue. Du erfährst, was Fatigue ist und wie sie sich äußert. Zudem stelle ich dir Möglichkeiten vor, was du im Alltag gegen Fatigue tun kannst. Am Ende des Artikels teile ich meine persönlichen Erkenntnisse und Erfahrungen im Umgang mit Fatigue bei MS.
Suchst du noch nach Optionen, wie du mit deiner Fatigue bei MS umgehen kannst ? Dann legen wir mal los 💪🏼 😊! Aber erst einmal gehe ich darauf ein, was Fatigue bei MS denn überhaupt ist.
Was ist Fatigue?
Kurz gesagt, ist Fatigue ein plötzliches und andauerndes Erschöpfungsgefühl, welches nicht mit “normaler Müdigkeit” gleichzusetzen ist. Das MS-Symptom Fatigue ist eines der häufigsten Symptome der Multiplen Sklerose – mehr als 70% aller MS-Erkrankten sind von Fatigue betroffen. Fatigue kann zu jeden Zeitpunkt der MS-Erkrankung auftreten und dabei die Lebensqualität extrem beeinträchtigen.
Wissenswert ist auch, dass das chronische Fatigue-Syndrom (CFS) nach aktuellem Forschungstand in eine neurologische Erkrankung eingestuft wird, jedoch nicht im Zusammenhang mit MS stehen muss! Fatigue kann also auch auftreten, wenn keine MS Diagnose vorliegt. Fatigue als Begleiterscheinung tritt nicht nur bei Multiple Sklerose auf, sondern kann auch bei Krebsleiden oder COVID- Erkrankungen. Nach aktueller Forschung ist noch nicht ganz klar, wie Fatigue entsteht. Dementsprechend ist es für Therapeuten und Mediziner herausfordernd, Behandlungsmöglichkeiten gezielt einzusetzen. Die Behandlungsmöglichkeiten sind demnach nach aktuellem Stand sehr begrenzt.
Wie äußert sich Fatigue?
Wie bereits erwähnt ist es charakteristisch, dass Fatigue “unangekündigt eintritt”. Es spielt kaum eine Rolle, wie sehr sich eine Person körperlich oder mental angestrengt hat, sich einen Tag zuvor erholt oder nicht erholt hat, gewisse Aktivitäten vorab getätigt wurden oder nicht.
Fatigue kann einerseits auf der körperlichen Ebene erlebt werden ( z.B. Kraftlosigkeit) als auf kognitiver ( Konzentrationsstörungen, Vergesslichkeit). Aufgrund der fast völligen ‚Machtlosigkeit‘ hinsichtlich der Therapiemöglichkeiten bei Fatigue, verbunden mit Erschöpfung und Antriebslosigkeit, erkranken Menschen mit MS, die an Fatigue leiden, nicht selten zusätzlich an Depressionen.
“Schlaf doch mal mehr” . “Ja, heute bin ich auch ganz schön müde.”
Kennst du diese Sätze?
Aus meinem Leben mit MS kenne ich diese Äußerungen leider sehr gut. Besonders auf meiner ehemaligen Arbeitsstelle, wenn ich außenstehenden Personen mitteile, dass ich stark erschöpft müde, kraftlos und unkonzentriert bin, begegneten sie mir mit diesen Sätzen. Und genau da liegt eben das Problem, dass die MS Symptome meistens unsichtbar sind. Da hilft auch keine Rechtfertigung – im Gegenteil: die zieht mir noch mehr Energie!
Also kommen wir zu den Möglichkeiten, die du tun kannst, damit es dir mit deiner Fatigue bei MS besser geht 😊😍!
6 (+ 1) Möglichkeiten, wie du deine Fatigue bei MS beeinflussen kannst
Da Fatigue eines der häufigsten Begleiterscheinungen bei MS ist und das Symptom medizinisch noch nicht klar zu behandeln ist, ist es umso wichtiger, dass wir uns selbst zu wissen helfen, oder 😉? Deswegen folgen jetzt Möglichkeiten, die du für dich ausprobieren kannst, um besser mit dem Fatigue Symptome bei MS umzugehen.
1. Plane und manage deine Energie mit MS
Priorisierung: Fokussiere dich auf die wichtigsten Aufgaben und delegiere oder verschiebe weniger dringende Aktivitäten.
Strategische Pausen: Um Überanstrengungen zu vermeiden, kann es hilfreich sein, deinen Tag im Voraus zu planen. Zudem kannst du regelmäßige Pausen einlegen, um Überanstrengung zu vermeiden. Die Zeiten, in denen du dich am kraftvollsten fühlst, kannst du für wichtige Aufgaben nutzen.
2. Lerne deinen MS Akku kennen
Selbsterkenntnis: Um herauszufinden, was dir Energie zieht und Energie gibt, kann dir ein “Energie-Protokoll” helfen. Notiere dir, wie in einem Tagebuch, was du zu welcher Zeit erlebt hast und wie dein Energielevel davor, während und anschließen war. Vielleicht kannst du ein Muster erkennen, bei dem deine Energie bei manchen Aktivitäten gefördert oder abgezogen wird.
3. Erfülle dein Grundbedürfnis
Ausgewogene Mahlzeiten: Eine ausgewogene und reichhaltige Ernährung mit viel Obst, Gemüse & Vollkornprodukten kann dich dabei unterstützen, dein Energielevel stabil zu halten. Achte dabei aber auch darauf, ob du säurehaltige Lebensmittel, Vollkornprodukte etc. vertragen kannst. Eine gesunde Ernährung ist individuell zu betrachten 😊!
Hydration: Trinke ausreichend Wasser, um Dehydration und damit verbundene Müdigkeit zu vermeiden.
4. Mobilisiere deinen Körper
Individuelle Bewegung: Eine auf dich abgestimmte regelmäßige Trainingseinheit, wie ein Spaziergang, Krafttraining, Schwimmen oder Yoga können die allgemeine Energie steigern und der Fatigue bei MS reduzieren.
Physiotherapie/ Personal Trainer: Eine Zusammenarbeit mit einem Fachpersonal kann dir bei deinem MS Symptom Fatigue helfen, ein geeignetes Trainingsprogramm zu entwickeln, das auf deine individuellen Bedürfnisse und Grenzen abgestimmt ist.
Hier zeige ich dir Wege zur Bewältigung von unsichtbaren Symptomen bei MS allgemein.
5. Sorge für eine gesunde Schlafhygiene
Regelmäßiger Schlafrhythmus: Der menschliche Körper mag Regelmäßigkeiten. Genauso wie unser Energiehaushalt. Regelmäßigkeit und Gewohnheit schont unseren Akku. Halte einen regelmäßigen Schlaf-Wach-Rhythmus ein, indem du möglichst jeden Tag zur gleichen Zeit ins Bett gehst und aufstehst.
Schlaffördernde Umgebung: Damit sich nicht nur unser Körper sondern auch der Geist in der Nacht erholen kann, sorge für eine schlaffördernde Umgebung mit einer bequemen Matratze, dunklen Vorhängen und einer ruhigen Atmosphäre. Falls du nur in heller Umgebung schlafen kannst, dann sorge dafür. Erschaffe dir deinen Wohlfühlort 🫶.
6. Lerne mit Stress und Herausforderungen umzugehen
Entspannungstechniken: Entspannungstechniken wie Meditation, Atemübungen oder progressive Muskelentspannung helfen dir, um Stress zu reduzieren und zu regenerieren, um deinen Energiehaushalt auszugleichen.
Psychologische Unterstützung: Die Diagnose Multiple Sklerose trifft häufig auf viele Herausforderungen. Daher ist es nicht ungewöhnlich das ein Leben mit MS mit emotionalen Belastungen einhergeht. Ein Gesprächstherapie oder der Austausch mit einer Selbsthilfegruppe kann dir helfen, emotionale Belastungen zu verarbeiten und besser mit den Herausforderungen der MS und den MS Symptomen umzugehen.
Diese Möglichkeiten gegen Fatigue können und sollten individuell angepasst werden. Jede Person mit Multiple Sklerose hat andere Bedürfnisse und ein anderes Energiemanagement. Du kannst die Tipps bei Fatigue auch nacheinander ausprobieren oder kombinieren, um den besten Umgang mit Fatigue bei MS zu finden.
Ein persönlicher Einblick in meinen Umgang mit Fatigue bei MS
Heute, 12 Jahre nach meiner MS-Diagnose, habe ich gelernt, mit MS zu leben. Das bedeutet auch, dass ich gelernt habe, mit dem MS-Symptom Fatigue zu leben. 2012 wurde bei mir MS diagnostiziert. Meine ersten Symptome waren Sehstörungen in Form von Doppelbildern und Schmerzen in den Augen, gefolgt von Kribbeln in den Beinen, das sich wie ein Stromschlag anfühlte (MS sucht sich ihre Wege 😄).
Erst Jahre später schlich sich die Fatigue ein. Unerklärlich, ungesteuert und plötzlich tritt sie auf – diese starke Erschöpfung. Ich war kraftlos und extrem antriebslos.
Ich habe viel geschlafen, nicht weil ich müde war, sondern weil ich keine Kraft mehr hatte – weder körperlich noch geistig.
Auch wenn wissenschaftlich noch nicht eindeutig geklärt ist, wie die Fatigue bei MS entsteht, können wir durch Selbsthilfe und Eigenverantwortung einen Teil dazu beitragen, die Fatigue zu reduzieren.
Was mir dabei am meisten geholfen hat, war, mich selbst besser kennen zu lernen, um zu wissen, was mir generell Energie raubt und was oder wer mir Energie gibt.
Als mir das klar wurde, konnte ich meinen Alltag schon ganz anders gestalten (Besonders habe ich gemerkt, wie viel Energie mir meine damalige Arbeit geraubt hat💡). Zu erkennen, wie sehr mir Meditation und Yoga helfen, war mein größter Schlüssel zu einer vollen Batterie, aber vor allem: zu mir selbst! Deshalb bin ich heute auch Meditationsleiterin, weil ich dieses “Werkzeug” und meine Meditationserfahrung weitergeben möchte🫶.
Auch heute gibt es noch Tage, an denen die Müdigkeit stärker zuschlägt als geplant und auch wenn ich in diesen Momenten nicht aktiv etwas dagegen tun kann, so habe ich doch eine Sache gelernt, die mich unglaublich entlastet: Akzeptanz.
Somit beschreibe ich jetzt den Tipp Nr. 6 (+1) „Geisteshaltung“
Akzeptanz:
Zu akzeptieren, dass ich gerade einen starken „Fatigue-Anfall“ habe und mich in diesem Moment nur um mich und meine Bedürfnisse zu kümmern habe, ist das Einzige, was ich gerade tun kann. Alles andere, wie Rechtfertigung, Wut oder Trauer, raubt mir noch mehr Energie. Ehrlich; es gelingt mir nicht jeden Tag. Natürlich bin ich traurig oder wütend, wenn ich etwas mit Freunden oder Familie vorhatte und mir plötzlich die Fatigue in die Quere kommt und ich nicht mehr teilhaben kann. Und das ist auch in Ordnung! Trauer und Wut gehören dazu. Das darf gefühlt werden und die Trauer darf sich in Tränen zeigen. Ich lasse alles raus, was da ist, atme durch und versuche, wieder so gut wie möglich für mich zu sorgen, es mir gemütlich zu machen und mich einzukuscheln. Meistens erkenne ich dann auch, dass ich wirklich Ruhe brauche 😉.
Abschließend möchte ich dir noch das Buch Fatigue Management: Umgang mit chronischer Müdigkeit und Erschöpfung ans Herz legen.
Ein Buch, das als Ratgeber für Angehörige, Betroffene und Fachleute geschrieben ist. Es informiert dich nicht nur umfassend über Fatigue bei MS, sondern bietet dir auch mehr als fünf Möglichkeiten an, wie du deine Fatigue managen kannst 💪🏼.
Von Herzen wünsche ich mir für dich, dass du durch diese Tipps, Empfehlungen und meine Erfahrungen etwas für dein Leben mit MS und deiner Fatigue mitnehmen konntest.
💡 Ich möchte dir noch einmal nahelegen, dass dieser Artikel kein Ersatz für deine medizinische Behandlung ist. Es ist auch ratsam, regelmäßig mit dem behandelnden Arzt zu sprechen, um die besten Strategien und mögliche medizinische Unterstützung zu besprechen.
Gibt es etwas, was dich überrascht hat oder etwas, was du ab jetzt ausprobieren möchtest?
Ich freue mich von dir zu lesen !
Alles Liebe 🫶
Alexandra
Quelle:https://www.multiplesklerose.ch/de/aktuelles/detail/fatigue-bei-multipler-sklerose-was-wissen-wir/
https://www.mecfs.de/was-ist-me-cfs/
Dieser Artikel enthält Affiliate-Links