Hast du jemals die Situation erlebt, dass du dich körperlich erschöpft gefühlt hast, aber dennoch den starken Wunsch hattest, Sport zu treiben? Bist du trotzdem aktiv geworden, ohne deine körperlichen Grenzen zu beachten oder anzuerkennen? Ich kann mich damit identifizieren :). Ich habe bereits einige Erfahrungen mit Multiple Sklerose und Sport gemacht. In diesem Artikel teile ich meine persönlichen Erfahrungen, meinen Umgang mit Sport bei MS und wie ich meine körperlichen Grenzen kennen lernte.
Multiple Sklerose ist eine chronisch entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems, die zu einer Vielzahl von Symptomen führen kann.
Aber bedeutet das auch, dass eine Person mit MS dann keinen Sport mehr machen kann? Nein, natürlich nicht! Ich hatte mit dem Thema Sport trotzdem eine Herausforderung: Mir fehlte eine gesunde Achtung meiner Grenzen.
Als jemand, der selbst mit MS lebt, habe ich persönlich erfahren, wie Sport einen positiven Einfluss auf meine Lebensqualität haben kann. Doch genauso durfte ich erfahren, dass ich bei dem Sport und unbedingt meine körperlichen Grenzen achten muss!
Sport vor meiner MS-Diagnose:
Schon als Kind habe ich mich gerne und viel bewegt. Vor allem an der frischen Luft habe ich mich gerne ausgetobt. Ich probierte verschiedene Sportarten aus, bis ich mich für einige Jahre der Leichtathletik widmete. Doch als ich in die Pubertät kam, trat die Bewegung immer mehr in den Hintergrund und ich hörte auf, Sport zu treiben. Meine körperliche Aktivität beschränkte sich fast ausschließlich auf den Schulsport! Erst mit Anfang 20 fing ich wieder an zu laufen und kurze Zeit später wagte ich mich zum ersten Mal in ein Fitnessstudio. Ich hatte wieder richtig Spaß am Sport und der Bewegung.
Doch dann machten sich die ersten Symptome der Multiplen Sklerose bemerkbar.
Zittern, Gangunsicherheit, Schwäche und Schwere in Beinen und Händen. Anfangs ignorierte ich die Symptome der MS. Schließlich wollte ich doch weiter Sport treiben! In den ersten Jahren mit der MS habe ich gar nicht auf meine körperlichen Grenzen geachtet. Einschränken lassen wollte ich mich nicht! Also ignorierte ich die MS-Symptome bei jedem Training.
Ich trieb Sport, obwohl mein Körper es nicht wollte – obwohl er es nicht konnte! Aus: Sport tut mir gut, – wurde: Ich quäle meinen Körper und schädige meine Gesundheit!
Es fiel mir schwer keinen Sport zu machen. Ich wollte die Krankheit nicht wahrhaben! Ich wollte mich nicht von ihr beeinflussen lassen. Mir ging es körperlich immer schlechter, doch der Gedanke daran, mal einen Tag Sportpause einzulegen, kam für mich nicht in Frage! Sogar als ich eine medikamentöse Therapie erhielt, die mich neben den akuten Schüben noch mehr schwächte, trieb ich Sport. Obwohl es mir schwer viel, mich neben den Schüben und der hochdosierten Therapie überhaupt zu bewegen, quälte ich mich mit Workouts und längeren Läufen! Dadurch, dass ich mich weiter durch Sport quälte, wurde die Multiple Sklerose immer lauter und ihre Symptome immer stärker.
Es dauerte Jahre bis ich verstand, dass ich körperliche Grenzen habe. Auch beim Sport. Oder besser: Vor allem beim Sport!
Wie ich mein Bewusstsein über Sport und Multiple Sklerose verändert habe
Vielleicht hast du schon oft davon gehört, dass Yoga die Welt verändert. Nun, ich wiederhole es gerne noch einmal :D. Denn zu dieser Zeit, als ich die starken Symptome wie Kribbeln und Taubheit in den Beinen hatte, entdeckte ich Yoga und: meine innere Welt begann sich zu verändern!
Am Anfang war Yoga für mich einfach ein Mittel, um mich zu bewegen. Ich bewegte mich sanft und überforderte mich nicht. Doch mittlerweile ist Yoga zu einer Lebensphilosophie für mich geworden! Durch Yoga erkannte ich meine Grenzen. Beim Yoga spürte ich sie und gleichzeitig akzeptierte ich meine körperlichen Grenzen. Yoga veränderte mein Bewusstsein für mich selbst und meinen Körper. Durch Yoga traute ich mich erstmalig in meinen Körper hineinzuspüren und mich mir ihm zu verbinden. Zum ersten Mal fühlte ich, dass ich nur einmal solchen Körper habe, dass ich in meinem eigenen Körper lebe! Ich überdachte meine bisherige Einstellung und Verhaltensweise gegenüber meinem Körper und meinem Sportverhalten. Ich begann, dankbar für meinen Körper zu sein, ihn zu mögen, zu achten und zu ehren – genau so, wie er ist. Denn so ist er perfekt!
Ich habe in den vergangenen Jahren viel herum experimentiert, um herauszufinden, welche Sportart mir und meinem Körper guttut.
Einige Wochen joggte ich ein Kilometer. Doch schnell erkannte ich, dass das Laufen keinen Sinn hatte, wenn es mir danach schlechter ging als zuvor. Denn nach jedem Lauf, taten meine Beine weh und fühlten sich schwer wie Blei an.
Danach versuchte ich für eine Weile im Schwimmbad zu schwimmen. Anfangs funktionierte das ganz gut. Dann schwamm ich regelmäßig Bahnen im Schwimmbad, bis ich bemerkte, dass mir auch das Kraulschwimmen mehr Energie raubte, als es mir schenkte. Obwohl es schön war, schwimmen zu gehen, war es als regelmäßiger Sport nicht gut für mich. Nach dem Schwimmen zitterten und kribbelten meine Beine wieder – es war einfach zu anstrengend. Außerdem war ich danach den Rest des Tage sehr müde und erschöpft.
Also kehrte ich zurück ins Fitnessstudio. Das Training dort tat meinen Beinen gut, da es half, ihre Funktion zu stabilisieren und zu fördern. Wenn ich an verschiedenen Fitness-Kursen teilnahm, verspürte ich jedoch oft den Drang, mich mit anderen zu vergleichen. Ein Blick in eine Richtung reichte aus, um mir einzureden, dass ich viel zu schwach sei. Es war mir peinlich, wie viel fitter die anderen Teilnehmer waren! Während der Kursstunden fiel es mir schwer, mich nur auf meinen Körper und meine Fitness zu konzentrieren. Auch dort habe ich meine Grenzen missachtet. Ich gab mehr Energie raus als ich hatte. Aber niemanden hat es interessiert! Außer meinem Körper – der hat darunter gelitten. Dennoch habe ich während der Kursstunden und im Fitnessstudio eine Vielzahl von Übungen kennengelernt, die ich nun auch zu Hause machen kann.
In meinem Buch beschreibe ich sehr persönlichn wie ich den Kontakt zu meinem Körper fand und beim ersten Mal erlebte habe.
Was ich über Mulitple Sklerose und Sport lernen durfte:
Früher hatte ich fest geplante Sporttage. War eine Sporteinheit erledigt, war ich erleichtert. Ich hatte es hinter mich gebracht. Mein Muss war erfüllt. Aber profitiert, hatten weder mein Körper noch ich davon. Ich gab mir weder Regenerationszeit noch meinem Körper die Bewegung, die für ihn passend war. Egal, wie es meinem Körper ging, der Sport war geplant- also musste ich Sport machen.
Heute entscheide ich mein Sportverhalten intuitiv und abhängig von meiner Tagesform. Ich liebe diesen bunten Mix aus verschiedenen Sportarten und Intensitätsstufen. Neben meiner weiter bestehenden Yoga-Praxis
- gehe ich laufen,
- mache ich verschiedene home-workouts (mit und ohne Gewichte) – mal 10 Minuten, mal 50 Minuten
- fahre ich Fahrrad
- liebe ich es zu spazieren
- gehe ich schwimmen.
Ich entscheide nicht nur, ob ich Sport mache, sondern auch welchen Sport mein Körper heute braucht und möchte! Ist es eher Power Yoga, sanftes Yoga oder vielleicht eine Runde Ausdauertraining?
Auf meinem Instagram-Account nehme ich dich hin und wieder in mein Sportverhalten mit!
Jeder Körper ist unterschiedlich, jeder Körper hat andere Voraussetzungen! Dein Körper ist dein Zuhause. Sport sollte dazu da sein, um sich und seinem Körper etwas Gutes zu tun.
Wir dürfen unseren Körper fordern – aber nicht überfordern.
Genau dazwischen liegt der schmale Grad der Grenzen. Unser Körper ist gut so wie er ist, achte auf ihn :).
Hast du auch schon Grenzerfahrungen mit deinem Körper gemacht? Ich freue mich, wenn du sie hier mit mir teilst :).