Als mir meine Ärztin die Diagnose Multiple Sklerose (MS) mitteilte, war ich gerade Anfang 20 und mitten in der Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin. Die Diagnose traf mich hart und riss mich emotional tief nach unten, denn ich wusste genau, welche Auswirkungen sie auf mein Leben haben könnte. Ich hatte in meiner Ausbildung bereits mit Patienten zu tun, bei denen MS festgestellt wurde und die unter diversen Einschränkungen litten – insbesondere an Blasenprobleme. Das machte mir sehr viel Angst und große Sorgen. Ich war doch gerade mal Anfang 20! Deshalb kamen mir auch direkt viele Fragen und Sorgen in den Kopf:
Würde ich für immer laufen können? Würde ich überhaupt noch einen Mann fürs Leben finden, trotz meiner möglichen Einschränkungen? Was ist, wenn ich plötzlich Probleme beim Wasserlassen oder bei der Darmentleerung habe? Kann ich mit MS noch normal zur Toilette gehen? Was ist, wenn ich einen Blasen-Katheter benutzen muss? Bin ich dann überhaupt noch attraktiv genug?
Kennst du diese Gedanken?
Viele Betroffene haben ähnliche Ängste und Sorgen. Das ist okay! Und es ist wichtig zu wissen, dass besonders Blasenentleerungsstörungen bei MS keine Seltenheit sind. Ganz im Gegenteil: Blasenprobleme sind bei MS eine häufige Beschwerde!
Daher möchte ich ein wichtiges Tabuthema bei Multiple Sklerose brechen: Blasenentleerungsstörungen.
Mittlerweile habe ich die Diagnose MS seit fast 11 Jahren. Ich habe durch die Schübe der MS schon viele Einschränkungen erleben müssen, daher weiß ich sowohl als Krankenschwester als auch selbst Betroffene, wie belastend diese Einschränkungen sein können und welche belastenden Gefühle sie auslösen. Besonders das Thema Sexualität, sowie Blasen- und Darmthemen sind in unserer Gesellschaft schambehaftet. Das macht es insbesondere für junge Menschen, die gerade die Diagnose MS bekommen, nicht einfacher, darüber zu sprechen!
In diesem Blog-Artikel erfährst du:
- Was die Blase mit MS zu tun hat.
- Warum es so wichtig ist, sich mit dem (möglichen) Symptom Blasenfunktionsstörung bei MS zu beschäftigen.
- Wie du dich mit deinen Ängsten bezüglich Blasenprobleme bei MS beschäftigen kannst.
Blasenprobleme bei MS- ein mögliches Symptom
Multiple Sklerose (MS) ist eine chronisch-entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems, die sich auf viele verschiedene Körperfunktionen auswirken kann. MS kann nicht nur die Beweglichkeit, sondern auch die inneren Organe beeinflussen. Unter anderem eben auch die Blase. Doch was genau hat die Blase mit MS zu tun?
Besonders häufig treten bei Multiple Sklerose Blasenprobleme auf. Diese stellen für viele Betroffene eine enorme Belastung dar. Die Ursache dafür liegt in den geschädigten Nervenbahnen, die für die Steuerung der Blasenfunktion zuständig sind. Die Symptome bzw. MS-bedingte Blasenprobleme können vielfältig sein, wie eine gestörte Blasenentleerung, plötzlicher Harndrang oder unkontrollierter Harnverlust. Aber auch Harnwegsinfekte können ein Hinweis auf eine gestörte Blasenfunktion oder eine Folge von unbehandelten Blasenproblemen sein.
Viele Betroffene haben Angst vor peinlichen Situationen und dem Verlust der Kontrolle über ihre Blase. Das kenne ich sehr gut! Es ist wichtig zu wissen, dass eine Blasenfunktionsstörung nicht zwingend eine Folge von MS ist, sondern, dass es sein KANN.
Das Thema Blasenprobleme bei MS ist jedoch nicht nur körperlich, sondern auch psychisch eine Herausforderung. Viele Betroffene haben Angst vor peinlichen Situationen und dem Verlust der Kontrolle über ihre Blase. Es ist wichtig zu wissen, dass es Möglichkeiten gibt, um mit Blasenproblemen bei MS umzugehen und eine Verbesserung der Lebensqualität zu erreichen.
Mittlerweile gibt es zahlreiche Möglichkeiten, mit Blasenentleerungsstörungen bei MS umzugehen und ein erfülltes Leben zu führen! Dazu gehört (je nach Schweregrad) unter anderem der Einsatz von Hilfsmitteln, wie Kathetern.
Warum ist es so wichtig, sich mit Blasenenproblemen bei MS zu beschäftigen?
Auf diese Frage habe ich zwei Antworten für dich:
1. Wenn niemand auf das Tabu-Thema Blasenentleerungsstörungen schaut, wie soll es dann enttabuisiert werden?!
Der Angst in die Augen schauen!:
Es ist ein Thema, das viele Menschen mit Multipler Sklerose beschäftigt, aber kaum einer spricht darüber: Blasenentleerungsstörungen. Ich weiß noch genau, wie ich mich gefühlt habe, als ich zum ersten Mal mit Blasenfunktionsstörung bei MS konfrontiert wurde! Ich war voller Panik und Scham und hatte keine Ahnung, mit wem ich über meine Ängste sprechen sollte. Werde ich bei MS normal zur Toilette gehen können? Habe ich mit MS Probleme mit der Blase?
Ich habe mir diese Fragen gestellt, weil ich Angst hatte! Ich hatte Angst davor, diese Probleme zu haben und mit niemandem darüber reden zu können, weil ich dachte, mich verstehe sowieso keiner und ich sei allein. Aber dann wurde mir klar: Wenn niemand darüber spricht, wie sollen wir dann jemals damit umgehen lernen?
Es ist völlig okay, Angst vor Blasenentleerungsstörungen bei MS zu haben! Die Frage ist eher, ob man diese wirklich braucht. Heute weiß ich, dass ich keine Angst davor haben muss. Darüber zu sprechen, hat meine Angst minimiert, Daher ist es wichtig, diesem Thema Aufmerksamkeit zu schenken, um die Angst vor diesem Tabu-Thema zu verlieren! Wie oben geschrieben: Es gibt viele Menschen mit MS, die an Ängsten und Problemen mit Blasenentleerungsstörungen leiden.
Wäre es also nicht viel schöner, darüber zu sprechen, anstatt darüber zu schweigen?
Je mehr Menschen über Blasenfunktionsstörung bei MS reden, desto weniger schambehaftet ist es! Das gilt auch für Außenstehende, die nichts mit „MS zu tun haben“. Es ist wichtig darüber zu sprechen, damit besonders MS- Betroffene – aber auch Angehörige – die Angst vor Blasenentleerungsstörungen und möglichem Katheterisieren* verlieren.
*Das Katheterisieren ist eine Möglichkeit, Blasenentleerungsstörungen zu behandeln. Dabei wird mit einem Katheter, einem dünnen, gleitfähig beschichteten Röhrchen, der Urin aus der Blase abgeleitet, um die Blase vollständig zu entleeren größere Restharnmengen (Urinrückstände in der Blase) zu vermeiden und das Risiko für Infektionen zu verringern.
2. Um mögliche Folgen wie Harnwegsinfekte zu vermeiden!
Auch wenn du mit MS keine Blasenprobleme hast, lohnt es sich, darauf achten, deine Blase gesund zu halten, um möglichen Harnwegsinfekten vorzubeugen! Eine Blasenfunktionsstörung kann nämlich, ohne es zu bemerken auftreten und unbehandelt das Risiko für Infektionen erhöhen.
Mal ehrlich, hast du dir schon mal Zeit genommen, dein Harnverhalten zu reflektieren :)? Um dich dabei zu unterstützen, wurde ein Fragenkatalog entwickelt, mit dem du dein Verhalten überprüfen kannst. Beantworte die Fragen für dich einfach und unkompliziert, um auf mögliche Probleme frühzeitig aufmerksam zu werden.
Was häufig und grade zu Beginn auch schon helfen kann, ist die eigene Flüssigkeitszufuhr und den Toilettengang zu beobachten: Wie oft gehst du auf die Toilette und wie viel Urin lässt du dabei ab? Dafür kann ein Blasenprotokoll zur Dokumentation ein gutes Hilfsmittel sein.
Also, wie soll ein Tabu-Thema jemals enttabuisiert werden, wenn niemand darüber spricht?
Schau dem Tabuthema in die Augen, um Ängste zu besiegen! Dabei unterstützt du nicht nur dich, sondern auch andere MS-Betroffene mit Ängsten und Scham. So kann es dir leichter fallen, dich mit dem eigenen Harnverhalten zu beschäftigen, weshalb du somit frühzeitig ein gestörtes Harnverhalten und möglichen Folgen wie Harnwegsinfekte frühzeitig erkennen kannst.
Wie du dich mit Blasenentleerungsstörungen bei MS auseinandersetzen kannst
Ich weiß, dass Blasenentleerungsstörungen eine große Belastung für Menschen mit Multipler Sklerose sein können. Wenn du damit zu kämpfen hast oder Angst vor dieser Herausforderung hast, kann es schwierig sein, erste Schritte zu unternehmen, um damit umzugehen.
Hier sind drei Tipps von mir, die dir helfen können, dich mit deiner Blase und möglichen Problemen auseinanderzusetzen, wenn du mit Ängsten in Bezug auf Blasenprobleme bei MS konfrontiert bist.
1. Sprich darüber!
Es hilft mir, mit meinen Mitmenschen über meine Ängste und Sorgen zu sprechen. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass es sich positiv auswirkt, über die Angst vor Blasenentleerungsstörungen zu sprechen. Es ist okay, Hilfe zu suchen, wenn du unsicher bist! Darüber zu sprechen kann nicht nur helfen, die Angst zu verlieren, sondern besonders in der Kommunikation mit anderen Menschen mit MS ein Gefühl der Gemeinschaft zu schaffen; denn du bist nicht allein! Viele Menschen mit MS haben ähnliche Probleme. Der Austausch mit anderen Betroffenen (z.B. in Selbsthilfegruppen) kann helfen. Außerdem habe ich in schwierigen Zeiten psychotherapeutische Hilfe in Anspruch genommen. Ich konnte all meine Angst-basierten Gedanken teilen, ohne bewertet oder hinterfragt zu werden, besprechen. Auch du hast ein Recht darauf, dir diese Hilfe zu holen, scheu dich nicht!
2. Suche dir das richtige Umfeld
Wenn du mit Ängsten und Sorgen zu kämpfen hast, suche dir ein Umfeld, in dem du du selbst sein kannst. Damit meine ich, dass du dir Menschen suchst, vor denen du dich nicht verstellen musst und offen und ehrlich über deine Ängste im Zusammenhang mit MS und Blasenentleerungsstörungen sprechen kannst. Das können andere Menschen mit MS sein, aber auch deine Familie, Freunde oder andere Vertrauenspersonen. Auch ein Gespräch mit deinem behandelnden Arzt oder deiner behandelnden Ärztin kann hilfreich sein. Erschaffe dir dein Umfeld. Überlege dir, welche Menschen dir in diesem Lebensbereich hilfreich sind und welche nicht.
(Ich habe übrigens für jeden Lebensbereich ein eigenes Umfeld; ich umgebe mich in jedem Lebensbereich nur mit Menschen, die gut für mich sind :))
3. Beschäftige dich mit deiner Blase und möglichen Problemen
Auch hier ist vor allem Mut gefragt. Den Mut aufzubringen, sich mit der eigenen Blase und möglichen Problemen auseinanderzusetzen, ist wohl die größte Herausforderung. Hier hilft es, sich professionelle Unterstützung zu holen. Offene Foren zum Austausch über MS können hilfreich sein. Wenig hilfreich fand ich es allerdings, bei Google nachzuschauen, was alles mit MS und der Blase passieren kann. Viele Erfahrungsberichte sind entmutigend, und einige Websites enthalten nicht-medizinische und fragwürdige Beiträge, die noch mehr Ängste in mir auslösten. Hol dir also lieber professionelle Hilfe, lasse dir deine Fragen professionell und fachgerecht beantworten.
Außerdem kann der Fragenkatalog auf dem oben beschrieben Abschnitt hilfreich sein, um einen ersten Eindruck deines Harnverhaltens zu bekommen.
Wenn du bis hierher gelesen hast, dann kannst du dir JETZT auf die Schulter klopfen :)! Denn du hast den ersten Schritt getan: Du hast dich mit dir und deiner Blase auseinandergesetzt! Ich möchte an dieser Stelle noch einmal betonen und deutlich machen, wie wichtig es ist, sich dem Tabuthema Blasenprobleme bei MS zu stellen und es nicht zu ignorieren. Es ist ganz normal, Angst und Scham zu haben, aber es ist auch wichtig zu wissen, dass man nicht allein ist und dass es viele Möglichkeiten gibt, damit umzugehen. Durch offenes Sprechen kann jeder dazu beitragen, das Thema zu enttabuisieren und Betroffenen und Angehörigen die Unterstützung zu geben, die sie brauchen. Außerdem kann die Beschäftigung mit der eigenen Blase helfen, das Risiko für Harnwegsinfekte zu verringern! Es lohnt sich also, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen und aktiv zu werden, um langfristige Folgen zu vermeiden.
Spoiler: Ich verstehe, wenn du große Angst vor dem Katheterisieren hast! Deswegen verrate ich dir in einem gesonderten Artikel, wie ich meine Angst vor dem Katheterisieren verloren habe!
Bis dahin alles Liebe für dich,
Alexandra
// Dieser Beitrag entstand in einer Zusammenarbeit mit Coloplast GmbH
Übrigens: Über Blasenprobleme spricht kaum jemand… aber wie sieht es dann erst mit Darmproblemen aus??
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