Wenn das Nervensystem bebt – und das Herz nach Verständnis sucht (1/5)

Es wird mal wieder Zeit für einen echten Erfahrungsbericht aus meinem Leben mit MS. Ich sage wahrhaftig, dass ich in den letzten 4 Jahren gesund ein Leben mit Multiple Sklerose lebe. Doch nach einem starken Infekt, erlebe ich aktuell Symptome, die ich in dieser Intensität noch nie gespürt habe:

Unter anderem höre ich bei jeder Augenbewegung nach links oder recht ein lautes Zischen im Kopf, das bis in meine Hände und in die Mundpartie ausstrahlt – wie kleine elektrische Stromschläge. Zugleich werden so die Köperregionen leicht taub. Meine Wahrnehmung gleicht einem stotternden, abgehackten Sehen.

Sind das MS-Symptome? Fest steht, dass gewissen Nervenbahnen erschüttert sind.

Und fest steht auch, dass es Mediziner gibt, die bei untypischen MS-Symptomen, empathielos und abgefertigt handeln.

Mein Sehen wirkt abgehackt, meine Wahrnehmung eingeschränkt, als würde bei jeder Augenbewegung die Erde kurz beben und mein Körper für einen Moment in sich zusammenfallen. Ich fühle mich in einer Blase gefangen, ich bin schnell gereizt, frustriert, ungeschickt und unkonzentriert.

Kein MS-Schub – aber trotzdem nicht harmlos

Über zwei Wochen trug ich einen hartnäckigen Infekt in mir. Ich hustete viel, war erschöpft und hatte zeitweise leicht erhöhte Temperatur.

Dass die oben beschriebenen Symptome mit meinem Leben mit MS zusammenhängen, liegt natürlich nahe. Trotzdem habe ich von Anfang an ausgeschlossen, dass es sich um einen neuen Schub bei MS handeln könnte – dafür kenne ich meinen Körper mittlerweile einfach zu gut. Und doch: Solche Symptome, die bis hin zu innerer Unruhe oder leichten Angstzuständen reichen, dürfen selbstverständlich ernst genommen und einmal genauer angeschaut werden, oder?

Wichtig zu wissen: Schon Anfang des Jahres hatte ich einen ähnlichen Infekt mit ähnlichen Symptomen:

  • lautes Zischen im Kopf bei Augenbewegungen
  • Ausstrahlung in Hände und Mund (wie Stromschläge)

Mein regulärer Neurologe hörte mich wohlwollend an und konnte glücklicherweise ein MS-Schub ausschließen 🙏🏼. Nach wenigen tagen verschwanden die Symptome von selbst. So forschte niemand nach und auch ich bat nicht darum. Schließlich war es ja weg. Aus Scham sprach ich diese Episode nie wieder an, weil ich dachte, ich würde damit nerven, denn ein Schub wurde ja ausgeschlossen.

Wenn Angst lauter wird als Worte

Dieses Mal aber fühlt sich diese Episode, einfach alles schlimmer an – intensiver, beängstigender.

Mein Kontrollverlust, die Unsicherheit, die Hilflosigkeit. Ich wünsche mir diesmal so sehr eine klare Diagnose, eine Ursache, etwas, an dem ich mich festhalten kann. Es ist ein Gefühl, das so unangenehm ist, dass ich oft einfach nur weinen muss.

Vielleicht kennst du dieses entsetzliche Gefühl, wenn du keine Kontrolle mehr über deinen Körper hast. Diese Momente machen einfach furchtbare Angst.

Zwischen Tastatur, Türgriff und meiner Angst im Leben mit MS

Als ich mich dazu entschloss, meinen Neurologen aufzusuchen, erfuhr ich, dass dieser nicht im Dienst war. Angeboten wurde mir ein Termin beim Vertretungsart. Na klar, den Termin nehme ich auch, ich bin dankbar für jede Hilfe. Doch die Hoffnung in mir entwickelte sich zu Wut und noch mehr Angst.

Als ich schließlich beim Vertretungsarzt war, begegnete er mir von Anfang an hektisch und unruhig. Ich konnte kaum schnell gehen, doch er eilte ohne ein Wort vor mir her. Im Behandlungszimmer angekommen, versuchte ich, meine Symptome (oder MS-Symptome) und Ängste zu schildern. Während ich sprach, tippte er schon in seinen Computer und sagte nur beiläufig:
„Das ist wohl eine Erkältung. Ruhen Sie sich aus und nehmen Sie ein Nasenspray. Da wird Ihnen auch kein Augen- oder Ohrenarzt und auch kein Neurologe etwas anderes sagen. Das klingt nach einer typischen Erkältung. “

Ich versuchte, mich ein zweites Mal zu erklären – zu sagen, dass ich wirklich Angst habe, dass ich Stromschläge in den Fingern spüre, dass sich meine Wahrnehmung verändert hat. Aus (meinem Gefühl) Mitleid, holte eine Untersuchungsbrille, um einen Nystagmus auszuschließen. Da kein Befund sichtbar war, schien seine Vermutung bestätigt: nur eine harmlose Erkältung.

Als ich noch einmal ansetzen wollte, um ihm eindringlicher zu beschreiben, wie es sich anfühlt – als würde in mir etwas zusammenfallen und die Erde bei jeder Augenbewegung beben – und um nach einer möglichen Ursache zu fragen, unterbrach er mich beinahe: „Wenn es nicht besser wird, kommen Sie einfach wieder.“

Noch während ich saß, öffnete er mir bereits die Tür und bedeutete mir mit einer Handbewegung, den Raum zu verlassen. Fassungslos zwischen Angst, Wut und Trauer verließ ich fluchtartig die Praxis.

Kontrollverlust & Zukunftsängste oder doch ein nur ein Leben mit MS

Dieser Arztbesuch ist nun 5 Tage her. Überraschung: Die täglich Einnahme vom Nasenspray hat mir nicht geholfen, die neurologischen Störungen zu beseitigen. So beschloss ich eine Notaufnahme einer Klinik die einen Neurologen im Dienst hat, aufzusuchen. Nach 4 Stunden empathischer, professioneller und menschlicher Untersuchung fühlte ich mich sehr gut versorgt. Diagnosen, weiteres Verfahren und Co stehen noch aus. Auf Instagram teile ich aktuell mein Erleben und mein Genesungsweg. Ein weiterer Artikel zum weiteren Verlauf wird noch folgen.

Mir geht es nicht darum, MedizinerInnen in ein schlechtes Licht zu rücken.

Ich bin mir bewusst, dass dieser Beruf enorm fordernd ist – voller Verantwortung, Zeitdruck und täglicher Entscheidungen. Gleichzeitig hat mir diese Begegnung etwas sehr Wichtiges gezeigt: Wir PatientInnen sind mehr als nur MS-Symptome oder Diagnosen! Wir sind Menschen – mit Ängsten, mit Fragen, mit dem tiefen Wunsch, verstanden zu werden. Wenn der eigene Körper plötzlich unberechenbar wird, dann ist es nicht nur das Symptom, das schmerzt, sondern auch das Gefühl, nicht ernst genommen zu werden.

Gerade in solchen Momenten sind Empathie, Zuhören und ein Zeit genauso wichtig wie jede medizinische Versorgung

Steckst du gerade in einer Krise?

Denn Heilung beginnt nicht immer im Körper – manchmal beginnt sie im Herzen. Genau in dem Moment, in dem ich spüre: Jemand sieht mich. Jemand hört mir zu. An dieser Stelle möchte ich meinen aufrichtigen Dank aussprechen –an alle MedizinerInnen, die Tag für Tag ihr Bestes geben, um Menschen zu helfen. Und ein ganz besonderes Dankeschön gilt jenen ÄrztInnen, die Medizin, Menschlichkeit und Empathie miteinander verbinden. Sie machen den Unterschied – nicht nur in der Behandlung, sondern im gesamten Genesungsprozess

Ich greife niemanden an, diese Schilderung ist meine Wahrheit, weil sie MEIN Empfinden ist.
Mir liegt daran, ein Bewusstsein und ein Funken Lieben zu schaffen: mit euch, durch mich, für dich, für uns.

Ich halte dich hier auf dem Laufenden und – Spoiler: während ich diese Zeilen tippe, kann ich dir versichern, glaube an die innewohnende Kraft in dir. Bleibe bei dir, verliere dich nicht in Groll. Wähle Gesundheit. Ich nehme dich weiter mit auf meinem Genesungsweg in meinem Leben mit MS. Wie immer, ehrlich, hoffnungsvoll und realistisch😉.

Und bitte: Vergiss nie, in Verbindung mit deiner innewohnenden Kraft zu bleiben. Auch in Momenten der Unsicherheit trägt sie dich– leise, aber beständig.

Manchmal kommt Heilung nicht in schnellen Sprüngen, sondern in kleinen, stillen Schritten. Doch sie kommt. Und das ist das Wichtigste. 💫

Pass auf dich auf!

Alexandra <3

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